Ein Jahr Deutschland-Ticket Neue Maßstäbe im öffentlichen Nahverkehr

Ein Jahr nach der Einführung des Deutschland-Tickets zieht der Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN) eine gemischte Bilanz. Das Konzept einer bundesweiten Flatrate ohne Tarifgrenzen hat bei den Kunden die Erwartungen erfüllt und ist in der Öffentlichkeit zu einem Symbol für nachhaltige Mobilität in Deutschland geworden. Allerdings fehlen die dafür eingesetzten drei Milliarden Euro für den dringend notwendigen Angebotsausbau.

Mit beeindruckenden elf Millionen verkauften Abonnements und 20 Millionen Nutzern im ersten Jahr hat sich das Deutschland-Ticket schnell in Deutschland etabliert. In den ersten zwölf Monaten seit seiner Einführung hat das Deutschland-Ticket nicht nur Stammkunden überzeugt, sondern auch neue Nutzerinnen und Nutzer für den ÖPNV gewonnen: 44 Prozent der Abonnements wurden nach Angaben des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) von Wechslern aus anderen Tarifen abgeschlossen und acht Prozent von Neukunden, die zuvor selten öffentliche Verkehrsmittel genutzt haben.

„Das Deutschland-Ticket hat in nur einem Jahr gezeigt, wie hoch das Interesse und die Bereitschaft der Menschen ist, umweltfreundliche Verkehrsmittel zu nutzen. Es ist bemerkenswert zu sehen, wie das Deutschland-Ticket die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs positiv verändert hat“, macht Christian Specht, Oberbürgermeister der Stadt Mannheim und Vorsitzender des Zweckverbandes Verkehrsverbund Rhein-Neckar, im Rahmen eines Pressegesprächs anlässlich des Maimarkts Mannheim deutlich. „Allerdings zeigt sich auch, dass diese massive Tarifsubvention durch den Bund und die Länder nun dazu führt, dass weniger Mittel für die Bereitstellung des Angebotes zur Verfügung stehen. Für 2025 werden in Rheinland-Pfalz bereits Angebotskürzungen diskutiert, weil die Regionalisierungsmittel nicht mehr ausreichen werden, um die deutlich gestiegenen Kosten abdecken zu können“, so Specht weiter.

Klares Signal für die Verkehrswende setzen

Mit fortlaufender Verbesserung und einer stetigen Erweiterung des Angebots kann das Deutschland-Ticket auch in Zukunft eine tragende Rolle in der Transformation des öffentlichen Nahverkehrs in Deutschland spielen. Das anhaltende Interesse am Deutschland-Ticket unterstreicht aber besonders die Notwendigkeit, den öffentlichen Nahverkehr weiter auszubauen und zu verbessern. Der Bund und die Länder müssen daher nun zusätzliche Mittel für das Angebot bereitstellen, damit die Fahrgäste mit dem Deutschland-Ticket auch wirklich mobil sein können. Hier besteht akuter Handlungsbedarf.

Der öffentliche Personennahverkehr in Deutschland steht vor erheblichen finanziellen Herausforderungen. „Die aktuelle Unterfinanzierung und der Mangel an einem robusten rechtlichen Rahmen gefährden die nachhaltige Entwicklung unseres Verkehrssystems. Es ist entscheidend, dass die Bundesregierung nicht nur initiale Fördermittel bereitstellt, sondern auch langfristige Unterstützung und klare rechtliche Grundlagen schafft, um die Zukunft des öffentlichen Nahverkehrs in Deutschland zu sichern“, betont VRN-Geschäftsführer Dr. Michael Winnes.
„Leider geschieht aber aktuell das Gegenteil: die Förderung von Elektrobussen wurde aufgrund der Schuldenbremse gestoppt. Dasselbe gilt für die Förderung der Wasserstofftechnik. Das hat unmittelbare Folgen für den Verbundverkehr: wegen der Versagung der Förderung der geplanten Wasserstofftankstelle in Heppenheim musste der VRN gemeinsam mit dem Kreis Bergstaße in letzter Minute die Umstellung des Linienbündels Odenwald Mitte von Dieselbussen auf klimafreundliche Wasserstoffbusse wieder aufgeben. Gleichzeitig hat das Land Hessen signalisiert, dass die Verbünde in den nächsten Jahren keine Landesmittel zur Erweiterung des regionalen Schienen- und Busverkehrs erwarten dürfen. Wennn wir die Neukunden, die uns das Deutschland-Ticket beschert hat, langfristig vom ÖPNV überzeugen wollen, muss die Politik hier ganz schnell neue Prioritäten setzen“, macht Dr. Winnes weiter deutlich.

Deutschland-Ticket löst originäre VRN-Abonnements ab

Im Rahmen des Pressegesprächs blickten die Verantwortlichen des Verkehrsverbunds Rhein-Neckar auch auf die Entwicklung des Deutschland-Tickets innerhalb der Verbundgrenzen zurück.

Grundsätzlich hat sich das Deutschland-Ticket als ein bei den Fahrgästen sehr beliebtes Produkt etabliert. „Die Einführung des Deutschland-Tickets hat den öffentlichen Personennahverkehr für viele zugänglicher gemacht. Die positive Entwicklung zeigt, dass unsere Fahrgäste ein solches Angebot schätzen“, erklärt Christian Volz, kaufmännischer Geschäftsführer der rnv GmbH und Vorsitzender der Versammlung der Verbundunternehmen im VRN.

Mit der Einführung des Deutschland-Tickets im Mai 2023 konnte erstmals seit der Corona-Pandemie eine Stabilisierung der Einnahmen auf ein vorerst gleichbleibendes Niveau bis Juli festgestellt werden. Im August gab es erneut einen deutlichen Einbruch der Einnahmen, der darauf zurückzuführen ist, dass Kunden von ihrem monatlichen Kündigungsrecht gebraucht gemacht haben und das Deutschland-Ticket kurzfristig über den Sommer gekündigt haben.

Seit September steigt die Zahl der Deutschland-Ticket-Abonnements wieder stetig an. Gleichzeitig führt die monatliche Kündigungsmöglichkeit aber auch zu großen Schwankungen bei den Verkaufszahlen, da die Kunden eine geringere Hemmschwelle haben, ihr Abonnement im Jahresverlauf für einige Monate zu pausieren.
Das Deutschland-Ticket hat im VRN-Verbundgebiet fast vollständig die originären VRN-Abonnements abgelöst. Zudem hat die Einführung des Deutschland-Tickets zu einer Verlagerung des Umsatzes von den Fahrscheinsortimenten des Gelegenheitsverkehrs und der Zeitkarten im Barverkauf auf die Abo-Jahreskarten geführt.

Insgesamt beträgt der Anteil der Deutschland-Tickets im VRN-Tarif an den gesamten Abo-Jahreskarten rund 98 Prozent. Die Anzahl der vertriebenen Abo-Jahreskarten aus dem Restsortiment des VRN-Tarifs liegt bei lediglich zwei Prozent mit einer abnehmenden Tendenz.

Die Kundenanzahl im Abonnement konnte um 35 Prozent von 276.783 im April 2023 auf 373.298 im Februar 2024 gesteigert werden. 73 Prozent der Abonnenten haben sich für die Nutzung des Deutschland-Tickets als Chipkarte entschieden, während die verbleibenden 27 Prozent das Handy-Ticket nutzen.

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